Zum Spiegeln in der ehrlichen Sprache

"Es wurde abgemacht, dass wir einander alles sagen würden. Ich war an Schweigen gewöhnt, und die Befolgung dieser Regel fiel mir zunächst schwer. Aber ich begriff schnell ihre Vorteile; ich brauchte mich nicht mehr mit mir selbst auseinanderzusetzen: ein Blick, wohlwollend zwar, aber unparteiischer als mein eigener, lieferte mir von jeder Bewegung ein Abbild, das ich für objektiv hielt; diese Kontrolle schützte mich vor Ängsten, falschen Hoffnungen, müßigen Zweifeln, Hirngespinsten, den Erregungszuständen, gängigen Begleiterscheinungen der Einsamkeit. Ich trauerte der Einsamkeit nicht nach, im Gegenteil, ich war glücklich, ihr entronnen zu sein. In Sartre konnte ich hineinsehen wie in mich selbst: welch Beruhigung!"

"In vielen Fällen bedeutet sprechen nicht nur mitteilen, sondern handeln. So tun als übe man auf den anderen keinerlei Druck aus, wenn man ihm eine indiskrete Wahrheit verpasst, ist Betrug. An dieser Doppelbödigkeit der Sprache, braucht die Ehrlichkeit nicht zu scheitern, man muss nur einige Vorsicht walten lassen. Gewöhnlich genügt eine kurze Zeitspanne, um den Wörtern ihre Schlagkraft zu nehmen."

Simone de Beauvoir in "In den besten Jahren"

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