Ein Blick hinter die Projektionsfläche der Porno-Industrie: "Lovelace" als Objekt des Mainstreams

"Lovelace" bringt die Geschichte von Porno-Star Linda Lovelace (Amanda Seyfried) gelungen in zwei Perspektiven auf den Bildschirm. Der Film verzahnt Gut und Böse, Wahrheit und Hollywood. Die naive 20-Jährige hält wenig von sich, verliebt sich und flieht aus der Familie. Ihr Ehemann treibt sie in Prostitution und Porno-Ruhm. Was sie eigentlich bewegte oder nicht davon abhielt, klärt auch der Lügendektor-Test nicht. Später interessiert sich ihr Verlag, der ihre Biografie veröffentlichen will, für die volle Geschichte. Der Film greift kürzer. Auf ihre Geschichte des Glück und Ruhms folgt die

Bewundert als Sternchen im gerade aufblühenden Porno-Business der 70er Jahre landet sie mit dem Film "Deep Throat" in seiner Comedy-Manier auch noch in den Kinos - vor den Gesichtern des Mainstream-Publikums. Die Idee ist aus der finanziellen Not ihres Mannes Chuck Traynor (Peter Sarsgaard) geboren, ihrer Liebe zu ihm oder seiner permanenten Kontrolle als Verstärker. Ob er nun die Waffe mit am Set hat oder "nur" wie ein Zuhälter am Rand steht. Sie führt das Besprochene aus - eine Frau tut, was ihr Mann sagt - als würde sie bis zur ersten Sexszene nicht wissen, was es für ein Film ist. Die flachen Dialoge des vermeidlichen Soft-Pornos denunzieren schon, weil sie die Klitoris in den Hals der Frau verlagern. "Ja, mein Schatz .. da musst du nicht weinen."



Amanda Seyfried lauscht in "Lovelace" der Radio-Berichterstattung über sich selbst (c) Planet Media





 

 

 

 

 

 

 

 



Die Gefahr des Gefallenwollens

Gnadenlos lasziv und naiv schaut und spricht sie. Will alles richtig machen. Das wird ihr zum Verhängnis. Die 70er in Pop-Bunt färben den Streifen in seiner sexuellen Freiheit, aber tünchen ihn auch in Macker-Männerbilder und konservative Erziehungsmethoden, die vom Gehorsam in der Ehe handeln, Moral und Schande und den Fehlern, die in uns selbst liegen, wenn wir dauernd nur für sie bestraft werden. "Du bist doch mein Kleines, nicht?" In der verfilmten Biografie wird Linda erst verführt und überredet, dann trainiert, überwältigt und vergewaltigt - von ihrem fanatischen, drogensüchtigen Freund, der ein Bordell betreibt. Es ist Film-Premiere: Sie verneigt sich in diesem jungfräulichen, weißen Baumwollspitzen-Kleid auf der Bühne, die Silhouette ihrer Bewegungen schimmern hindurch. Ihr Vater im Publikum, sah sie auf der Bühne und beim Blow-Job auf der Leinwand. Er gesteht es ihr unter Schmerzen später am Telefon. Welche Talente sind ehrenwert? Chuck führt sie zur nächsten "Party". Sie lächelt dem Herrn zu, der sie aus dem Film kennt, dann sitzt sie verängstigt auf einer Bettkante. Er liefert sie ein, zwei, drei, vier, fünf Männern aus, die in das Zimmer kommen, sie festhalten. Wie grausam es beieinander liegt, von der Projektionsfläche zum realen Objekt zu werden.

Die Biographie in zwei Außenperspektiven: Der Blick in ihre Psyche bleibt im Verborgenen

Man ahnt, dass ihr gleich ist, was später im Leben passiert. Der Film spart viel der inneren Vorgänge aus, belässt den Blick des Zuschauers in Fremdsteuerung und Außenperspektive. Und sie spielt eine beeindruckend gehorsame Lady, die den Schmerz mit einem Lächeln wegdrückt. Selbst nach dem Sturz bei der Flucht nach der Gruppenvergewaltigung gibt sie dem Polizisten in Malibu noch ein Autogramm. Als sie erkennen, dass es Ms. Lovelace ist. lächeln die Uniformierten, die vorher noch der am Abend auf dem Boden liegenden Linda zu Hilfe eilen wollten. "Ich bin ihr Mann." Frauen brauchen gegen ihre Männer nicht aussagen, hallt es in ihren Ohren. Da läuft sie, und eines Tages läuft sie weg, raus. Der Film macht wieder eine Blende. Nachdem ihre Mutter ihr weder Glauben noch Gehör schenkt, findet sie Zuflucht beim Filmproduzenten, der ihr zuhört und aus dem Ganzen herauszieht. Immerhin ein Happy End, ja, im Film. Das Leben im Zwiespalt und wahren Wandlungen vom sonderbaren Ruhm und permanenten Abgrund bildet nichts ab, was die Protagonistin unglaubwürdig erscheinen lassen könnte, wenn sie doch mehr als einen Film drehte, sich später den Feministen anschloss, sich von ihnen dann aber instrumentalisiert fühlte, wie von ihrem zweiten Mann und spart auch ihren Tod aus .Vielleicht suchte sie selbst noch Erklärungen, um das Passierte zu ertragen. "When you see the movie Deep Throat, you are watching me being raped", erklärte sie 1986.

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