Sie streicht nur eine Erinnerung beim Anblick aus der Ferne

Vejer, 27.12.2014

Ich folgte der Spur der Magenta-farbenen Vier-Blatt-Blüten auf dem Boden. Wie das Relikt eines feierlichen Akts lagen sie in der Gasse dieses weißen, andalusischen Dorfs. Meine Handschale konnte keine mehr aufnehmen ohne sie zu drücken. Da schwirrte mir ein Spaniel ins Blickfeld. Ich murmelte ihm mit hoher Stimme etwas entgegen und er lief uns wedelnd zu. Ich denke immer, diese Hunde verwechseln uns mit jemanden, den sie oder die Besitzer kennen oder mal kannten. Dann wenn sie plötzlich skeptisch Halt machen, den sicheren Blick zum Herrchen gewandt. Welche Enttäuschung sie durchfahren muss, wenn sie erkennen, dass wir nicht ihre Projektion sind? Oder sie merken es nicht. Sie berührt nur einen Erinnerung an jemanden. Und wir sind es, die sie verkörpern.


Der Hund drückt seinen weichen Körper wie eine Katze an uns und ich schwärme von seinem Fell und spanischem Wesen. Der Mann mit dem kleinen, langstieligem Schnapsglas in der Hand unterbricht seinen Dialog "Él no está a la venta", ich wende mich vom weichen Fell ab und schaue ihn fragend an. Er musste schon lange mitbekommen haben, dass wir Deutsche waren, doch er blieb stoisch im Spanischen. Etwas hämisch dachte er vielleicht, na, mal schauen wie weit sie kommen.
Ich haspelte einen Versuch des Spanischs hin. Da erwiderte er: "Der steht nicht zum Verkauf."- "Ah, Danke für die Übersetzung", ich. Er kam näher und die wuchernde Nase, der kahle Kopf über den winzigen Blick, der hagere, breitschultige Mann mit dieser gleichgültigen Art, erschein uns vertraut, wir kannten ihn nicht. Er erzählte uns, dass die Spanier die Hunde aussetzen, wenn sie kein Interesse mehr an ihnen haben. Dies sei schon der Dritte, der seiner Frau und ihm zugelaufen war. Als ich die Blüten in mein Buch legte, verlegen betonte, dass ich sie da vorn vom Weg aufgelesen hatte, erklärte er: "Ja, da vorn blüht ein schöner" und nannte ihren Lateinischen Namen. "Aus Brasilien haben sie sie mitbegracht". Ich merkte mir ihren Namen nicht. Uns blieb nicht mehr viel Zeit. Und er schien uns nicht den kürzesten Weg zum Bus verrraten zu wollen, obwohl er schon fast 20 Jahre hier lebte. Vielleicht sehnte er sich nach einer Unterhaltung, vielleicht kannte er den Weg zu Fuß aus dem Dorf auch einfach nicht, vielleicht berührte ihn auch etwas in dieser, unsere offenen Begegnung. Wir wünschten ihm dennoch einen guten Rutsch. Ich weiß nicht, ob sein Blick uns folgte. Aber ich war sicher, dass uns gerade Markus Vater einen Gruß aus dem Himmel gesandt hatte.  

Auf dem Rückweg, nahmen wir automatisch wieder die Lieferstraße, die wir gekommen waren, stand der dünne Schimmel nicht mehr am Straßenrand. Ich sammelte still weiter Blüten und legte sie zu den Zeilen ins Buch.

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