Die Leichtigkeit der Überschläge/ Bonjour Bohème, Adieu Tristesse, Adieu Bohème, Bonjour Tristesse

Jo hat Geburtstag und sie strahlt. Welch dynamisch hippiesken Rausch unter Freunden und in nachbarschaftlicher Nähe. Die dunkle Hündin als Ehrengast gleitet sanft durch die sperrigen Gäste. Das Herrchen sitzt still, ist aber auch an Bord. Und daneben sitzt der nächste Blick, das nächste Wort. Die Blicke gleiten durch den Raum. Flohmarkt, auf der Leiter hoch sitzt man dann auch. Der Ex, der schaut, den Brustkorb aufgebäumt, die Geschlechtergleichen an und weist ihnen Namen zu, neue und alte. Und wir haben sie alle zusammen, beinahe ein Hochzeitsfest; die neuen, die alten; die Verflossenen, die Begehrten; die, die es niemals sein werden - und sie umschließen uns wie den Reigen der ekelhaften Umarmung, und wir verharren bevor wir aus ihnen wegstürzen, den Kuss nun nur noch auf die Stirn. Die Lippen meiden, die Blicke senken. Die Traurigkeit spül weg, wir müssen ans Leben denken. Und an die Wand gelehnt, die vollen Rauschebärte kraulen und Mitternachtstorten schlemmen, die 17te Flasche Wein öffnen. Bilderrahmen, die im Türrahmen aus den Händen fallen, Damenstrumpfhosen verpackt an der Wand, den Schritt entblößen in wenigen Minuten der Einsamkeit, Frauenpaar-Bilder geschenkt, verschollene Bären und Antialkoholiker neben Druffies und dem Schwindel des Weins. Küsse, viele, engumschlungen tanzten wir unter den Blicken der Männer. "Ah, das ist hier eher so arty Bohème" - "Oh, ich freue mich so, dich zu seh'n!"

Und auf Atemlosigkeit folgt nicht mal mehr Ruhe. Am Sonntagmorgen saßen wir inmitten der Asche und den Scherben des Weins im sonnigen Herrenzimmer und lachten laut als sei das Leben Leichtigkeit. Und sie schaut mich an, sagte: "Meine Liebe, die Leichtigkeit hätte ich ohne dich nie kennengelernt." Dabei ist sie weicher als je zuvor. Und ich freue mich leise darüber, ehe es wieder kalt wird.

Und ich versuche die neuen Denkmuster in passende Verhaltensweisen und einen anderen, neuen Umgang mit Männern zu lenken. Nun, es gelingt mir, grandios - nicht. Doch „Wenn ich fall, fall' ich in die Arme von jemand...“, singt Tom Liwa in ganz anderen Zusammenhängen gerade. Weil mein Leben eben keine Konsequenz kennt, das Aufwühlen mehr liebt als die Stille, das Drama dazu gehört. Aber das ist klein. Auch weil ich wieder kleiner denke, in kleinen, unbedeutenden Geschichten. Doch ich habe wieder das Gefühl, mich im Kreis zu drehen, da war ich doch schon mal. Im Dezember so froh, endlich größer und ruhiger und ernster und ehrlicher sein und denken zu können und auch zu wollen. "Mein kleiner Brummkreisel", sagt Jo und streichelt mir den Kopf, weil sie diese, meine Gedanken und Gefühle unlängst kennt - und dann verhärtet ihr die Brust wieder. Und wir wissen, dass wir das Denken sein und das Leben laufen lassen müssen, nur nicht zu weit und immer brav hinterher. Und ich schwanke nicht nach den Überschlägen, mir ist nur etwas übel davon. Die Gedankenachterbahn steht still. Eien dumpfe Leere, in der man nichts fühlen kann. Ich wache sogar zufrieden auf, diese Emotionen sind wohl die seltsamsten ever gerade in meinem Leben. Und es muss Ruhe kommen, vielleicht ist sie nun - nach dem letzten Loop auch da.

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