Romantische RückenAnsichten

Blick in den Hang 09/2012

Und sie folgt ihm mit langsamen Schritten durch die meterhohen Bananenstauden, Tabakpflanzen, Farne und Gräser, nur langsam, weil ihr Geist nur langsam mit dem feuchten Wind die Impressionen aufnehmen kann, die sie anfliegen. Die Pflanzen im Genick und den Blick auf seinen Rücken, den Rucksack, das nackte Kreuz konzentriert. In der Luft malt sie dessen Struktur nach und wusste, dass er da ist. Sie fällt zurück, und der braune, breite Rücken entfernt sich einige Meter, schreitet vor ihr die schmalen Pfade entlang, biegt in ein Maisfeld ab und sie rennt ihm ein Stück hinterher, holt ihn raschelnd ein. Und da steht er und lächelt sie an, als habe er einen Schatz gefunden, der Grund für seine Eile war. Ein Wasserfall rauscht in eine Lagune, die wirklich blau ist. Ihre Blicke treffen sich und sie schluckt das Staunen runter.

Auch durch die Stadt, nur zwei Hauptstraßen in türkisen und grauen Fassaden, gesäumt von Ständen mit Obst und Chips in bunten Plastiktüten, läuft er immer ein paar Schritte vor ihr. Sie bleibt im konstanten Abstand zu ihm, dicht aber leicht versetzt links oder mal rechts hinter ihm. Seine Rückenansicht in diesem leisen Schritt vor ihr, macht sie leicht, als atme sie seinen Takt, obwohl ihrer viel vorsichtiger ist, ihre Schritte kleiner.

Vom Weiten schaut sie wie er um sich greift, eine Kokosnuss vom Boden hebt oder den schweren Arm in die Höhe streckt, um die roten Früchte des Kakaos zu pflücken. Sein Blick gleitet manchmal über seine Schulter, um sich zu vergewissern, dass sie noch hinter ihm läuft.

Die Müdigkeit hat sie im Griff und als er sich später neben sie legt, rührt sich sein Körper nicht. Sein Atem beruhigt sie, ohne jede Berührung. Sie bettet den Kopf an seine Schulter wie eine Selbstverständlichkeit unter Tieren, die Wärme suchen. Mit gleicher Intensität aber wacher beugt er sich über das Hunderudel und verknotet sich im Spiel mit den großen Tieren. Wie ein schwerer Hund versinkt er unter dem betäubenden Ton der Schiffsmotoren auf ihrem Schoss in einen tiefen Schlaf. Sie krault sein schwarzes, langes Haar und ihr Blick verhakt sich in der Weite des Atlantiks, dem Licht wie es rot in den Morgen wechselt, den Rhythmus des Regens auf der Wasseroberfläche, und sie durchströmt ein kleines Glück, denn sie ist sich seiner unbeweglichen, wärmenden Nähe in diesem Moment sicher.

Manchmal streicht er ihr das Haar aus dem Gesicht, und sie weiß wie diese Geste gemeint ist und nimmt sie dankbar wie die eines großen Bruders an.

Einmal greift er ihre Hand beim Laufen und sie löst sich. Sein Körper ist unnah von ihrem, aber der viele Raum bleibt zwischen ihnen. Sie atmet ein Schmunzeln. Sie vertraut ihm, da ist es nicht nötig seine Hand zu halten, denn im Notfall streckt er sie sicher aus.

Er nimmt ihren Kopf in die Hände und küsst sie auf die Stirn, und weil er zufrieden scheint, lächelt sie sanft.

Ihre Augen gleiten achtsam über die blasse Sonne auf seiner Haut, die Schultern und den Bauch. Er lässt vom Saxophon ab und wendet sich dem Hang zu. Auf dem Balkon hoch über dem See inmitten des Grünen ahnt sie wie sein Blick in die Ferne, die Freiheit schweift und sie blickt ihm über die Schulter nach.  

Romantisch sind seine Rückenansichten in dieser tropischen Wildnis, wie eine entrückte Figur Caspar David Friedrichs. Doch sie war dankbar, dass ihr keine große Emotion das einfache Glück zunichte machen wollte.

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